Mein lieber guter Freund

Mein lieber guter Henri,

Gefährte und Waffenbruder !

 

Wie steht es um Dich und wie ist Dein Befinden. Ich hoffe, Du hast nicht allzu große Schmerzen. Du kannst Dir die größten Irritationen unter uns vorstellen als wir nicht wussten was mit Dir geschah und wo Du warst. Doch Gottes guter Führung vertrauend, hörte ich von einem Rekonvaleszenten aus dem 127. Linienregiment, dass Du mit einer schlimmen Blessur am Bein ins Sächsische bis nach Leipzig gebracht wurdest. So Du diesen Brief doch erhältst und ihn lesen kannst oder ein braver Kamerad dies tun will, sollst Du wissen, dass Dir Deine Kameraden eine gute Heilung wünschen. Doch so sehr Du fehlst und so sehr wir Dich auch unter uns vermissen, mit der Wiederkehr an diese Wallstatt beeile Dich nicht.

Was nach Deiner Verwundung geschah, will ich Dir kurz schildern.

Nachdem wir, wie Du weist, auf den Höhen in unseren festen Karrees so manchem Angriff standhielten, wurde der Feind immer stärker. Scheinbar aus allen Richtungen fielen sie wie Wölfe über uns her. Sie fuhren ihre Geschütze auf, denen wir so dicht gedrängt ein gutes Ziel waren. Die Männer fielen wie sie da an ihrem Platze standen sogleich in Reih und Glied. Am Abend dann, hatten sie uns von drei Seiten chargiert und die Karrees lösten sich vereinzelt auf. Als die Sonne schon untergehen wollte, griff schließlich eine frische Brigade mit solchem Ungestüm an, dass wir uns bald zurückzogen. Doch glaube nicht den Berichten wir seien geflohen. Wir gingen in der besten Ordnung vom Platz, unsere Ehre und Würde bewahrend. Eine Verfolgung fand durch die einbrechende Dunkelheit nicht statt und auch am nächsten Tag ließ man uns in Ruhe marschieren. Der Feind hatte wohl doch genug. Aber letztlich hatte er gesiegt und nicht wir. Ach, wären wir doch nur einige mehr gewesen. Wir hätten sie in die Flucht geschlagen. Der gute alte Albert, Jean, Lyon, Awenne und der kleine Pirot blieben für immer dort.

Nun marschieren wir bereits seit einer guten Woche wieder in Richtung Süden, ins Sächsische immer dem Lauf der Elbe folgend. Wir brennen darauf dem Feind die Revanche anzubieten und ich denke eine Gelegenheit wird sich bald zeigen. Sergeant Delarue sagt, wir würden uns wieder mit der Hauptarmee vereinen. Ich hoffe es sehr, denn den Kaiser in der Nähe wissend kann uns kein Übel geschehen.

Doch will ich nicht verschweigen, dass diese Kampagne der Strapazen viele bringt. Bei endlos scheinenden Märschen und Kämpfen durch ein fremdes Land mit einer uns feindlich gesinnten Bevölkerung bei immer schlechterem Wetter schwinden die Kräfte mehr und mehr. Kaum mehr etwas Gutes zu essen. Unser Hunger zwingt uns arme Bauern zu überfallen und das letzte zu nehmen, was sie noch besitzen. Und dies vor dem nahenden Winter. Es ist nur zu verstehen, wenn sie uns hassen.

Die jungen Rekruten leiden am schlimmsten. Weit weg von zu Haus, ertragen sie doch mehr als ihre Jugend vertragen kann. Doch finden sie halt und Kraft bei uns, den Veteranen aus Spanien. Henri, wie alt sind wir doch geworden.

Nun, da dass Licht kaum mehr zum lesen reicht, muss ich enden und ich will mich schlafen legen, bevor ich zur Wache muss.

Aus vollem Herzen und der Tiefe meiner Brust wünsch ich Dir das Beste und bete um ein Wiedersehen in besseren Tagen.

 

Leb Wohl mein lieber Freund.

Gott befohlen und Adieu.

 

Jean Courtaux  

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